Blog mit Beiträgen aus dem Naturschutzprojekt: Natur in Oberschwaben. In regelmäßiger Folge erscheinen Texte und Bilder über die Natur- und Naturschutzprojekte vorwiegend aus Naturschutzgebiete im Landkreis Biberach. Bilder zum Vergrößern bitte anklicken!
Im Winter wirkt die Natur auf Spaziergänger still und unbelebt. Viele Tiere sind auf dem ersten Blick nicht mehr sichtbar. Wildtiere wie Rehe und Füchse halten sich tiefer in den Wäldern verborgen, andere sind im Winterschlaf. Nur winterfeste Vogelarten, die nicht weggezogen sind, suchen nach Körnern und Beeren oder bedienen sich in Siedlungen an den Winterfütterungsstellen. Viele Insekten haben ihren Lebenszyklus abgeschlossen oder überwintern als Eier oder Puppen geschützt in der Rinde der Bäume oder unter den abgefallenen Blättern. Einige von ihnen sind in den Süden gezogen. Zitronenfalter und Winterlibellen hängen versteckt an vertrockneten Stängeln. Sie werden durch Frostschutz in ihrem Blut geschützt und sind oft vom Reif bedeckt. Erst in den wärmeren Frühlingstagen, können sie sich wieder bewegen.
Beim Gang durch die oberschwäbischen Moore erkennt man, dass die Torfmoose unter dem Eis grün bleiben. Sie wachsen trotz der Kälte zwischen vergilbten Gräsern langsam weiter. Forscher haben herausgefunden, dass sie Temperaturen bis minus 80 Grad trotzen können. Sobald es wärmer wird, saugen sich die Torfmoose mit Wasser voll und können die Wärme der Sonne gut nutzen. Das Sauergrasgewächs Seggen ist auch ein wichtiger Überwinterungsplatz für Insekten, die sich tief in den Büscheln versteckt halten. In den teils noch offenen Seenflächen suchen Enten und Reiher Nahrung. Stockenten bereichern sogar manchmal ihren Speiseplan mit kleinen Fischen.
Im Winter bilden sich an klaren Tagen besonders in Moorgebieten häufig bodennahe Nebelschichten, weil die kalte Luft über den wärmeren Boden streicht. Sobald der Nebel sich auflöst, strahlen die Bäume im glitzernden Raureif.
In den nebligen Wintermonaten sieht der Beobachter öfter Silberreiher, weil das Weiß Ihres Gefieders weithin sichtbar ist. Sie sind Verwandte der Graureiher, schlanker und mit einem besonders langen Hals, der ihnen einen guten Überblick über die Umgebung verschafft. Denn während sie an Kanälen oder an den Rändern von Gewässern auf Fische warten, müssen sie sich vor Fressfeinden wie Füchsen in Acht nehmen, die sich im Schilf heran schleichen. Manchmal erkennen sie einen Fressfeind erst spät und schweben grazil davon, bevor er sie anspringen kann. Beim Menschen liegt ihre Fluchtdistanz weit höher. Sie halten während des Fluges den Hals zusammengelegt und den Kopf zwischen den Schultern, schlagen langsam mit den Flügeln und lassen ihre weithin hörbaren knarrenden Rufe hören. Bei der Suche nach einem neuen Platz dürfen sie nicht zu nah an andere fischende Silberreiher kommen. Sie halten beim Jagen gerne Distanz zu ihren Kollegen und zu Graureihern. Gute Jagdplätze für Fische und Amphibien sind begehrt und so kann es zu Flugmanövern und Streitigkeiten kommen, die den Konkurrenten gezielt vertreiben sollen. Im Dezember lassen sich diese kunstvollen Flüge gut am Federsee beobachten.
Ursprünglich stammen Silberreiher aus dem Südosten Europas: der nächst gelegene Brutplatz ist der Neusiedler See im österreichischen Burgenland. Jahrzehntelang traten sie sehr selten auf, doch inzwischen sind sie häufiger geworden. Sie haben ihren Speiseplan mittlerweile um Mäuse und wirbellose Kleintiere erweitert, so dass sie auch in Zeiten der zugefrorenen Gewässer Nahrung finden können. Zahlreiche überwinternde Silberreiher stammen aus Osteuropa und ziehen dann weiter in den Süden, wenn bei uns die Gewässer zugefroren sind und der Schnee hoch liegt.
Die Herbsttage können noch bis spät ins Jahr sehr schön sein. Nachdem sich Nebel oder Hochnebel frühmorgens aufgelöst haben, lohnt sich ein Spaziergang durch die Moorlandschaften Oberschwabens. Nördlich von Bad Wurzach liegt das Wurzacher Ried, das als eines der größten und bedeutendsten Moorgebiete Süddeutschlands und als europäisches Vogelschutz und FFH-Gebiet ausgezeichnet ist. Der Kernbereich ist noch unberührt und bildet das größte, zusammenhängende Hochmoor Mitteleuropas. Ein Hochmoor lebt allein vom Regenwasser und ist aus Torfmoosen sowie zahlreichen Pflanzen- und Tiergemeinschaften aufgebaut. Nur wenige niedrige Sträucher und Riedgräser können hier wachsen. Die Torfmoose speichern viel Wasser und zersetzen sich langsam. Ein Hochmoor wächst in einem Jahr etwa 1 Millimeter. Im Laufe vieler Jahrtausende entsteht somit Torf. In den letzten 300 Jahren hat der Mensch in den Randbereichen des Wurzacher Rieds Torf abgebaut und das einzigartige Biotop gefährdet. Renaturierung und Wiedervernässung ermöglichen es nun, dass ein Niedermoor wachsen kann. Spazierwege führen durch Grundwasser gespeiste Übergangs- und Grundwassermoore, in denen das weniger anspruchsvolle Wollgras und das Pfeifengras leben. Ein Viertel der Pflanzenarten im Wurzacher Ried stehen auf der Roten Liste der gefährdeten oder bedrohten Arten. Bei einem Rundgang am Riedsee oder entlang der Haidgauer Quellseen erfährt man auf Schautafeln mehr über die Flora und Fauna und über den Torfabbau vergangener Zeiten.
Für tausende Zugvögel aus dem Norden ist der Federsee während der Vogelzugzeit ein wichtiger Rastplatz. Der See mit den weiten Schilfzonen ist für Wasservögel ein ideales Rückzugs- und Rastgebiet, wo sie sie in größeren Gruppen landen. Sie sammeln tagelang neue Kräfte und nehmen Nahrung auf. Die Ankunft der Gänsesäger-Trupps aus den Brutgebieten Nordeuropas ist eine besondere Gelegenheit, die seltenen Entenvögel zu beobachten. Gänsesäger stehen in Deutschland als stark gefährdete Vogelart auf der Roten Liste. In den flachen Bereichen des Federsees finden sie ausreichend Nahrung. Sie jagen tauchend größere und kleinere Fische und packen sie mit ihren hakenförmigen Schnäbeln, die an den Rändern wie Sägen geformt sind. So können sie die zappelnde Beute gut festhalten und im Ganzen herunter schlucken. Manchmal sind die Fische fast so groß wie die Gänsesäger selbst, aber auch sie werden mitunter im Ganzen heruntergewürgt. Sie sind sehr futterneidisch und versuchen anderen Gänsejägern ihre erbeuteten Fische abzujagen. So kommt es oft vor, dass sich ein Gänsesäger mit dem erbeuteten Fisch vor einer hungrigen Meute in Sicherheit bringen muss. Manchmal ergattert jedoch einer der Konkurrenten die Beute, dann muss er sich in Sicherheit bringen. Ihre Jagd, die schnellen Sprints und ihre niedrigen Flüge lassen sich vom Federseesteg bis in den Dezember hinein beobachten. Gänsesäger-Männchen haben einen schwarzen Kopf, Weibchen sind braun gefärbt. Sie schwimmen meist am Schilfrand oder am Steg entlang. Die einzelnen Trupps rasten einige Wochen auf dem Federsee und ziehen an ruhigen Herbsttagen weiter zu eisfreien Gewässern in den Süden, wo sie überwintern.
Als im März 2019 Oberschwaben noch die letzten Wintertage erlebte, kam es in Israel zu einer Masseneinwanderung des Distelfalters. Das feuchte Wetter hatte auf der arabischen Halbinsel das Wachstum der Futterpflanzen der Distelfalter-Raupen begünstigt, so dass sie optimale Entwicklungsbedingungen vorfanden. Millionen von Distelfaltern machten sich anschließend auf den Weg in ihr Sommerquartier in den Norden. Eine solche Massenwanderung fand zuletzt 2009 statt. In Oberschwaben konnten wir diese Falter ab Juni oft beobachten. Ihre Flügel waren nach einem tausende Kilometer langen Flug recht abgeflogen. Die Distelfalterraupen bevorzugen Disteln und Brennnesseln. Nach der Raupen- und Puppenphase werden Anfang August die Nachkommen dieser weitgereisten Schmetterlinge in der nunmehr dritten Generation schlüpfen. In dieser Zeit lassen sich Distelfalter sehr gut auf Wiesen und an Feldrändern beobachten. Sie flattern zu nektarreichen Distelblüten und stärken sich. Diese Generation muss den langen Weg in den Süden antreten, weil sie den Winter nicht überstehen würde. Sobald es kühler wird, fliegen die Schmetterlinge wie Zugvögel über die Alpen in ihre mittelmeerischen Überwinterungsgebiete. Manche von ihnen erreichen die 4000 Kilometer entfernte Sahelzone in Afrika, indem sie sich vom Wind tragen lassen. Viele dieser Wanderfalter werden jedoch bei ihrer Reise in den Alpen vom Winter überrascht - davon zeugen dann Friedhöfe an Distelfaltern auf den Gletschern. Das Zugverhalten der Distelfalter wird noch weiter erforscht, denn er gehört zu den Schmetterlingen mit den längsten Wanderrouten.
Flink durchstreift die männliche Schwarze Heidelibelle ihr Revier im Moor. Sie registriert jeden Rivalen um die begehrten Libellenweibchen und erbeutet im Flug Insekten und Kleinlibellen. Eine Kamera weckt ihre Neugierde. Sie fliegt wagemutig zwischen den Gräsern heran, aber zu spät: Im hohen Gras lauert bereits die Wespenspinne in ihrem weit gespannten Netz auf Beute. Zappelnd versucht sich das Libellenmännchen zu befreien, aber die Wespenspinne hat ihr mit einer schnellen Bewegung das tödliche Gift injiziert. Eilig bringt sie sich in Sicherheit und wartet ab. Das Gift wirkt schnell, lähmt das Opfer in weniger als einer Minute und zersetzt es langsam innerlich. Einige Minuten nach seiner letzten Regung fühlt sich die Spinne in Sicherheit. Sie beißt sich fest und saugt stundenlang den verflüssigten Nahrungsbrei heraus. Mit jeder Mahlzeit wird sie ein wenig größer. Sie ist eine so erfolgreiche Jägerin, dass sie sich bereits in den letzten Julitagen zurückziehen kann. Im August legt sie ihre Eier in bräunlichen Kokons ab. Die geschlüpften Jungspinnen überwintern in ihren schützenden Kokons. Sobald es ab Mai wieder wärmer wird, lauern sie im Gras auf Beute. Wespenspinnen sind in ihrer Erscheinung auffällig und auch als Zebraspinne bekannt. In unserer Region kommen sie häufig vor. Für den Menschen sind sie ungefährlich. Das Opfer ist die früher häufig vorkommende Schwarze Heidelibelle. Sie steht heute in vielen Bundesländern auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten und ist „Libelle des Jahres 2019“ vom BUND.
In oberschwäbischen Gewässern leben zahlreiche Libellenarten. Der konsequente Naturschutz sowie die extensive Landwirtschaft am Federsee ermöglicht es ihnen, ausreichend Nahrung und Plätze für die Fortpflanzung zu finden.
Im Frühsommer entsteigen unscheinbare Larven dem Gewässerschlamm, in dem sie zwei oder mehr Jahre räuberisch gelebt haben. Sie klettern meist an einem klaren Morgen an ufernahen Halmen oder am Schilf hinauf. Dann muss es schnell gehen: die Larve drückt mit ganzer Kraft gegen die alte Larvenhaut und schlüpft. Von diesem Moment bis zur endgültigen Aushärtung ist sie hilflos Fressfeinden wie Vögeln ausgeliefert. Dann entfaltet sie langsam ihre Flügel und nach ein paar Stunden schwirrt sie über das Wasser. Ihre Beute sind Insekten - Großlibellen ernähren sich aber auch von kleineren Artgenossen. Auf dem Bild jagt eine männliche Königslibelle über die Blütenstände der Teichrosen auf dem Federsee. Sie gehört zu den geschützten Libellenarten.
Im Juni blüht der See; dies lockt eine Vielzahl von Insekten an. Libellen finden hier ihre Partner, feiern Hochzeit und legen ihre Eier unter die Seerosenblätter. Nach einigen Wochen endet ihr Leben. Libellen stechen nicht. Wenn der Betrachter von einer schwebenden Libelle neugierig beäugt wird, will sie nur wissen, wer in ihr Revier eingedrungen ist.
An manchen Frühlingsabenden herrscht am Federsee eine ruhige Stimmung mit goldenem Licht. Schwäne und Blässhühner schwimmen durch den Lichtschein der untergehenden Sonne. Die ersten Frösche melden sich wie auch die Wasserrallen mit ihren Rufen. Der Rohrschwirl surrt im Schilf sein Liebeslied.